Texte: Beatrix Saadi-Varchmin Fotos: Beatrix Saadi-Varchmin und Jochim Varchmin - weitere Informationen finden Sie auch bei https://vogelgetwitter.de
Langsam scheint der Vorfrühling vorzudringen. Die Highlights der Saison, die in unserer näheren Umgebung viele Beobachter magisch angezogen haben, sind wieder verschwunden: Der Würgfalke, der bei Langerringen zwischen Ende Januar und Mitte Februar immer wieder gesichtet wurde, oft im Gestänge eines großen Hochleitungsmastes. Und der Gänsegeier, der am 9. Februar bei Dießen auftauchte und dann eine Woche lang am Rande von Unterhausen bei Weilheim blieb. [Anmerkung 1. März: inzwischen sind beide wieder aufgetaucht, sh. ornitho.de]
Die Stimmen der Vögel haben sich unüberhörbar vermehrt. Neben kräftigen
Meisengesängen klicksen und pixen in den Baumkronen leise die Kernbeißer und rufen ihr hohes schrilles ziht: ♫ Kernbeißer am Dorfrand zwischen Grünfinken, Erlenzeisigen, Starenpfiffen
und Hähnekrähen ♫
Und die Glissandi der Starenpfiffe erfüllen erneut das Dorf. Gestern gaben zwei Stare in unserem Gartenflieder ein fulminantes Konzert, mit
ausgiebigen Rotmilan-Imitationen. ♫ Starenkonzert im Gartenflieder ♫
Im Wald ♫ singen
tagsüber die Misteldrosseln ♫ zu den leisen Trillern der Waldbaumläufer, melden sich vermehrt die Kolkraben,
und in der Dämmerung wird hörbar, dass die Waldkäuze ihre Balz- und Brutzeit begonnen haben. ♫ Waldkäuze und ranzende Füchse im Februarwald ♫
Im Seeholz gaben neulich bei mildem Wetter die Spechte eine große Session: Buntspechte und Kleinspechte trommelten, und das Eichenrevier in Mitte war erfüllt vom erregten Quäken und
Keckern der sich jagenden Mittelspechte. ♫ Mittelspechte und Kleinspecht im Seeholz ♫
Am Lech kopulieren die Stockenten, wobei in traditioneller Weise der Erpel die halb untergetauchte Ente derb in den Nacken zwickt. Und vor Landsberg, in Höhe des Wildparks, wo jetzt wie
überall auch die ♫ Kleiber um die Wette trällern und pfeifen ♫, entdecke ich am Rande einer Kiesbank einen Vogel, der nach Limicolenart im Wassersaum stochert: tatsächlich, ein Waldwasserläufer, der hier nach Nahrung sucht. Überwinterer, Kurzstreckenzieher oder früher Rückkehrer? Die
meisten überwintern immer noch in Afrika und ziehen ab März hier durch.
Und die Rotmilane überflügeln wieder gemächlich die Feldmark, wo die Feldlerchen nicht mehr nur rufen, sondern steigen und minutenlang singen. ♫ Schön, sie wieder zu hören: Feldlerchengesänge ♫ Zweifellos: der Frühling ist nicht aufzuhalten. Auch, wenn noch Wintereinbrüche kommen sollten!
Im Oktober letzten Jahres stand es fest: Das Braunkehlchen, dieser so wenig bekannte Wiesenbrüter, wird 2023 besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Denn die beiden großen Naturschutzverbände NABU (Naturschutzbund Deutschland) und der bayerische LBV (Landesbund für Vogel- und Umweltschutz) haben ihn zum Vogel des Jahres 2023 ausgerufen.
Zu meiner Schulzeit war das Braunkehlchen auf dem Lande ein wohlvertrauter Allerweltsvogel, liebevoll Wiesenclown genannt. Auf meinen Streifzügen durch ein Mosaik von Feuchtwiesen, Feldern und Mooren bin ich ihm ständig begegnet – dazu zahllosen Rebhühnern, Haubenlerchen, Wiesenpiepern, Bekassinen, nicht zu reden von einem Himmel voller Lerchengesänge. Heutzutage ist das Braunkehlchen besonders in Bayern selten geworden und gilt als stark gefährdet.
Die Raistinger Wiesen am Ammersee, ein Schutzgebiet, sind so, wie Braunkehlchen sie brauchen und mögen: blüten- und strukturreich, mit dichter Krautschicht für die Nester in den Altgrasstreifen. Und mit Hochstauden und Zaunpfählen, die als Ansitzwarten genutzt werden. Hier singen sie, von hier aus starten sie zu ihren Jagdflügen.
Am Rande des Raistinger Schutzgebietes zu stehen, die schönen Schmätzer in den Altgrasstreifen oder auf hohen Halmen zu sichten und ihnen zu lauschen ist eine dieser Senkrechten in der Zeit, wie Arnulf Conradi das so überaus treffend formuliert hat. ♫ Braunkehlchen-Frühgesang in den Raistinger Wiesen ♫
Hier singt Anfang Juni ein Braunkehlchen seinen Frühgesang in den Raistinger Wiesen. Seine individuelle Note ist ein hübscher Triller am Beginn mancher seiner kurzen Strophen. Es wird begleitet von Goldammer, Wachteln (leise), Feldlerchen, Feldgrillen & Co. Ebenfalls leise in 6:16 ein Brachvogelgesang. Ein Konzert vom Feinsten!
Die Wahl im Oktober zum Vogel des Jahre 2023 fand natürlich in Abwesenheit der Hauptprotagonisten statt. Die hatten mit einigem Glück schon, jeder für sich allein, die Sahara überflogen, um im tropischen Afrika zu überwintern: 5000 km von hier entfernt.
Wie macht so ein kleiner Vogel das bloß? Ausführlich siehe https://vogelgetwitter.de/braunkehlchen-vogel-des-jahres-2023
Der Schneeeinbruch am 10. Dezember, ausgerechnet zum Zeitpunkt unseres Weihnachtskonzerts mit Vogelstimmen im Rochlhaus , ist längst vergessen, die Gewässer sind frei - und wir auch.
Höchste Zeit, nach den Singschwänen zu schauen. Wir suchen wie letztes Jahr in Apfeldorf unser Glück. Denn zuverlässig in jedem Spätherbst kehren Singschwäne aus dem hohen Norden - in ihre Überwinterungsgebiete auf dem Lech zurück.
Es ist recht windstill, und es erwartet uns etwas, was nicht zu erwarten war. Kaum sind wir aus dem Auto oben am Hang über der Stauwurzel gestiegen, fangen unsere Ohren außerordentlich lebhafte Klänge unten vom Lech her ein, deren luftiger, aber mächtiger Spur wir folgen.
Unten, wie immer vorm Schilfgürtel, sind sie versammelt: knapp über hundert der Schönen aus dem hohen Norden, zwölf graubraune Diesjährige
dazwischen. Sie gründeln, schwimmen gemächlich einher, vor allem aber posaunieren sie. Die Duette vereinigen sich zu einer abwechslungsreichen Wassermusik, die kein Ende nehmen will. Die Weite
und Einsamkeit nordischer Tundren schwingt darin und die unmittelbare Freude an Verständigung und Gemeinschaft.
Beim Duettsingen schwimmen die beiden Schwäne hintereinander und schwingen die Hälse gemessen vor und zurück, offenbar ein taktfestes, uraltes Ritual. ♫ Singschwanengesänge am Lech, 26. Dezember 2022 ♫
Mein Mikro nimmt es zuverlässig auf, dieses prachtvolle Oratorium, in das sich Graugänse, Blässhühner, Stockenten mischen, Schnatterenten mit ihrem seltsamen Geknarre, Flügelschläge und Wasserplatschen und das Echo, das die Lechhänge werfen. Und nebenher schauen wir denen zu, die ihre Stimmen nicht erheben: den unentwegt tauchenden Schellenten und einer Gruppe schöner Spießenten.
Als wir den Hangweg wieder hinaufgehen, steigern sich die Schwanengesänge hinter unseren Rücken erneut. Posaunen und Trompeten à la nature! Sie werden zunehmend von starken Windböen übertönt, die
durch die Hangbäume rauschen. Die weihnachtliche Wassermusike ist definitiv vorbei. Jedenfalls für unsere Ohren.
Zum Weiterhören: https://vogelgetwitter.de/apfeldorfer-wassermusiken-da-sie-sind-wieder-die-nordischen-posaunisten/
Zur Zeit lohnt es, Ohren und Augen gen Himmel zu richten: die Kraniche sind wieder unterwegs! Seit einigen Jahren zieht ein kleiner Abzweig der großen Kranichschwärme auch durch Südbayern, und zwar westwärts an den Alpen entlang. Hier in unmittelbarer Nähe wurde am Montag, dem 10. Oktober, ein kleinerer Keil von 25 Kranichen über dem Reischer Talweg gesehen, und am Mittwoch, dem 12.10. zog ein größerer Trupp von 50 Glücksvögeln hoch über Hofstetten hinweg - beide Male Mittags um 13:00 Uhr herum. Große Züge von bis zu 400 Kranichen über Pürgen und über dem Ammersee sind in ornitho.de gemeldet!
Die unverwechselbaren Kranichrufe sind fast immer schon von Weitem zu hören – hier eine nächtliche Tonaufnahme von 2013, als ein Trupp über unser Haus in Hagenheim zog und ich gerade noch rechtzeitig aus dem Bett springen konnte … Deutlich sind auch andere ziehende Vögel zu hören. Und hier, weil sie so schön ist, eine aktuelle Tonaufnahme aus dem nächtlichen Polen, ebenfalls eingestellt bei xeno-canto!
Insgesamt war der Kranichschutz erfolgreich: sogar in meine niedersächsiche Heimat, in den recht unspektakulären Landkreis Peine, sind Kraniche als Brutvögel zurückgekehrt! Eindeutig spektakulär sind ihre Trompetentufe im Duett – solche, wie diese hier, aufgenommen an einem glücklichen Augustmorgen in Brodowin.
Im Grunde ist die Vogelwelt immer in Bewegung, aber im September ist dies besonders augen- und ohrenfällig und treibt auf den Höhepunkt des Zuggeschehens Anfang Oktober zu. Im ersten Septemberdrittel sind hier ♫ Trauerschnäpper ♫ durchgezogen - gelegentlich zu sehen, öfter noch zu hören, sogar vor unserer Haustür. Die Stare sammeln sich, ein paar Rauchschwalben im Dorf füttern die letzten Jungen, während schon große Schwärme ihrer Artgenossen aus den nördlicheren Brutgebieten durchziehen.
In den Kiesgruben, diesen wichtigen Sekundärhabitaten, rasten Limicolen, Watvögel - das Artenspektrum ist immer noch beachtlich. Spektakulär war das Erscheinen eines Knutts, der sich zwei Wochen lang bei Jengen aufhielt.
Kurz vor der Tag- und Nachtgleiche fahre ich morgens nach Pitzling und zum Lech hinunter. Komme dort an, als es noch kühl und schattig ist, die letzten Frühnebel lösen sich gerade auf. Um den alten Stadel herum, der gerade umgebaut wird und derzeit leere Fensterhöhlen hat, entdecke ich Mehlschwalben, knapp vierzig, die sich an die vier noch intakten Nester klammern, sich dicht zusammengedrängt in eine Mauernische ducken und auf einer Hausantenne hocken: manche bilden regelrechte Kuschelknäuel. Später jagen sie mit Rauchschwalben zusammen über dem Lech.
Auf dem Lech hat sich wieder, in Höhe des kleinen Bootshafens, eine große Schar Zwergtaucher, vierzig zähle ich, in einer Fließstrecke versammelt. Mit ihren plötzlichen Ab- und
Auftauchmanövern machen sie ihrem Namen alle Ehre!
Kurz darauf entdecke ich zu meiner Verblüffung zwischen Reiher- und Tafelenten eine der seltenen Moorenten: eine kleine dunkle Tauchente mit leuchtend weißem Unterschwanz, die bei uns nur gelegentlich erscheint. Ihr Verbreitungsschwerpunkt im Osten sind die Steppen und Halbwüsten
der Ukraine, in Deutschland wurden aktuell 2-10 Brutpaare gezählt – sie gilt bei uns als vom Aussterben bedroht (→ NABU-Porträt).
Zwei Tage später, Herbstbeginn. In den Feldern vor Schwifting treffe ich endlich wieder auf eine Vogelart, die ich in der Feldmark um unser Dorf herum seit 2019 schmerzlich vermisse: Kiebitze. Sie lassen sich von einem pflügenden Bauern und seinem Traktor nicht stören, fliegen aber auf, als ich vom Fahrrad steige - und kommen schließlich zurück. Dreißig sind es, viele diesjährige darunter. Möglich, dass ich gar nicht die Ursache für ihr Auffliegen war, denn jetzt hocken sie unaufgeregt zwischen dem Pflanzenkrusch, in dem sie sich niedergelassen haben. Sie ruhen immer noch, als ich mich endlich löse und weiterziehe und ihnen viel Glück für die Reise wünsche …
Als sich am Montagmorgen, nach einem regnerischen Wochenende, der zähe Nebel um den Ammersee endlich aufgelöst hat, entrollt sich am Binnensee Süd eine wahre Bilderbuchszenerie für die Liebhaber*innen von Limicolen. Limicolen sind Watvögel, die Nahrung suchend in seichtem Wasser und am Wassersaum entlang eilen oder schreiten, manche hochbeinig elegant mit langen Stocherschnäbeln, andere hastig pickend und mit dem Hinterteil wippend. Sie erscheinen plötzlich, bleiben ein paar Tage, verschwinden. Denn die Vogelwelt ist jetzt im Spätsommer schon wieder in Wechsel und Bewegung: der Vogelzug hat, wenn auch noch zögerlich, begonnen.
Star Nummer eins, nah bei den Felsen, auf denen wir hocken, ist ein junger Dunkler Wasserläufer, den Spektive, Ferngläser, Kameras schlicht nicht stören. Rotbeinig und langschnäblig stolziert er gemessenen Schrittes herum, fliegt auch mal auf, flötet schön. Kommt ungewöhnlich nah, ist einfach nicht scheu. ♫ Dunkler Wasserläufer, Flötentöne im Flug, einen Tag später am Zellsee aufgenommen ♫
Star Nummer zwei ist ein grünbeiniges Tüpfelsumpfhuhn, sonst sehr scheu im Röhricht lebend, das sich hier mit hoch gerecktem Schwanzdreieck prächtig präsentiert, auch wenn es
zwischendurch ohne ersichtlichen Grund losrennt, um sich im Schilf zu bergen. ♫ Schon mal gehört? Ein Tüpfelsumpfhuhn „singt“ ♫
Der dritte Star im Bunde, etwas weiter entfernt, nicht ganz so „zutraulich“ wie die beiden andern, ist ein junger, also diesjähriger Stelzenläufer, der auf sagenhaft hohen Beinen herumläuft und seinen Namen sichtlich zu Recht verdient.
Während hinter uns in den Bäumen an der Ammer Grauschnäpper hoch und scharf rufen und im Schilf ein Blaukehlchen kruscht, nicht leicht zu fotografieren, treten weitere durchziehende Limicolen um die Kiesbänke herum auf: ein Zwerg-, ein Temminck- und ein Sichelstrandläufer, ein Kampfläufer, Sanderling, Flussuferläufer, zwei Bruchwasserläufer. Dazu Flussregenpfeifer, die hier gebrütet haben, junge Bachstelzen. Im Hintergrund rufen melodisch zwei Grünschenkel. Und drüben, zwischen Brutfloß und westlichem Schilfgürtel, flügeln langsam und gewandt drei spektakuläre Raubseeschwalben überm Wasser, den starken roten Schnabel stets senkrecht nach unten gehalten, um plötzlich, wenn sie einen Fisch erspäht haben, steil hinabzuschießen. Auf ornitho dokumentiert: eine Raubseeschwalbe im Sturzflug
Eine ungewöhnliche Idylle an Artenfülle! Gegen Mittag brennt und blendet die Sonne, dennoch ist es schwer, sich loszureißen. Den Kopf voller faszinierender Vogelgestalten, gehen wir auf dem Ammerdamm zurück. Dessen Böschungen, wo er sich zu den Wiesen hin öffnet, von Herbstzeitlosen übersät sind. So dass nicht zu übersehen ist, dass der Sommer zu Ende geht und unweigerlich der Herbst anrückt.
Wasservogelzählung am Oberhauser Weiher. Mehlschwalben sammeln sich in der großen Esche auf dem Bauernhof gegenüber und ♫ jagen überm Wasser ♫. Am Weiher fällt zwischen den Graureihern, die am Rand des südlichen Schilfgürtels stehen, ein kleinerer schlanker Reiher auf, so braun und schlangenhalsig, wie ich ihn hier noch nie gesehen habe: Zweifellos ein junger diesjähriger Purpurreiher, der in unserer Gewässerlandschaft umherstreunt. Purpurreiher sind extrem seltene Brutvögel in Deuschland und seltene Durchzügler.
Wo dieser wohl aus dem Ei gekrochen ist?
Ein ineinander verwachsenes Holler- und Wildrosengebüsch am Rande eines Weges, der an einer Kiesgrube vorbeiführt. Ideal für ein Nest im Verborgenen. Hier müssen sie gestern ausgeflogen sein. Ständig war das Männchen auf seiner Ansitzwarte präsent, ständig warnte das Weibchen, im Schattenriss war auch zweimal ein Altvogel mit einem Schnabel voll Insekt zu sehen.
Im Gebüsch weiter unten am Wege, gut von Brennesseln umwuchert, hocken und huschen sie heute in einer gut belichteteten Lücke zwischen den Zweigen: drei Junge, recht still auf Futter wartend und offenbar gut genährt. Gelegentlich betteln Neuntöterjunge aber recht laut.
Jetzt werden sie noch mindestens drei Wochen mit ihren Eltern im Verband bleiben.
Spät sind die Altvögel aus dem südlichen Afrika zurückkommen und schon ab Mitte Juli werden sie aus ihrem Brutgebiet wieder verschwinden.
Wie gut, dass sie Erfolg hatten, die schönen Vögel mit den hässlichen Namen. Neuntöter, Rotrückenwürger, Dorndreher - weil sie gelegentlich erbeutete große Insekten als Vorrat oder Zerkleinerungshilfe auf Dornen aufspießen (was die Jungen von ihren Eltern erst lernen müssen). Aber auch Heckenschmätzer wurden sie ihres Rufs wegen genannt.
Neuntöter gelten in Deutschland als noch nicht gefährdet, ihr Lebensraum ist aber durch die sogenannte Flurbereinigung stark geschrumpft. Die nahen Verwandten dagegen, Rotkopfwürger und Schwarzstirnwürger, sind in Bayern seit Ende der 70er Jahre ausgestorben, und der Raubwürger wird auf der Roten Liste als "vom Aussterben bedroht" geführt.
Der Neuntötergesang, nur selten zu hören, unvertraut, ist ein leises, eigenartig krauses Geschwätz mit vielen Imitationen und manchmal schönen Tönen dazwischen. Schon Anfang Mai, als ich in den Raistinger Wiesen Tonaufnahmen von Braunkehlchen machte, ist mir ein so ein langer Gesang ins Mikro geraten, der mich zunächst völlig irritiert, aber auch fasziniert hat. Jetzt wird er er erst wieder, mit Glück, im nächsten Mai zu hören sein.
Im kleinen Feldgehölz, wo unter den hohen Fichten schön blau gefärbte Eierschalen liegen, fast hühnereigroß, ist schon das seltsam klappernden Bettelgeschrei junger Graureiher zu hören. Jetzt mischt hier zum ersten Mal ein Kuckuck seine Rufe darunter. Glücklich ist er über die Sahara gelangt, allein!, und pünktlich, zwei Tage vor dem „Kuckuckstag“ (15. April) in sein Sommerrevier zurück gekehrt.
Damit geht die erste große Singestart- und Rückkehrwelle der Vögel zu Ende. Auch alle „ … kehlchen“ sind nun zurück. Sie gehören sämtlich zur großen Gruppe der Fliegenschnäpper, und von ihnen soll hier kurz die Rede sein.
Als Erste hatten natürlich die Rotkehlchen ihren Auftritt, die bei uns überwintern und als Herbst- und Wintersänger und -sängerinnen bekannt sind.
Hier singt Anfang April, an einem frostigen Morgen vor Sonnenaufgang, ein Rotkehlchen im Garten mit ausgefallenen Motiven und langen
Intervallen – bewegend und glasklar. Und hier singt - obwohl ebenfalls an einem frostigen Morgen – eines im Vollgefühl des Frühlings, mit
langen Trillern und triumphalen Kaskaden.
Als Nächste begannen die Schwarzkehlchen zu singen, zum Beispiel im Braunkehlchen-Schutzgebiet in den Raistinger Wiesen, wo Ende März zwei schöne schwarzköpfige Männchen trotz Kälte in großer in Singelaune sind. Schwarzkehlchen sind keine Langstreckenzieher, sie überwintern im Mittelmeerraum und können deshalb oft schon Mitte März zurückkommen und ihre Brutreviere besetzen.
Ende März rücken dann die Blaukehlchen in die Schilfgebiete ein. Bei uns sind es weißsternige Blaukehlchen, die beim Singen ihre blaue Kehle demonstrieren, wobei sich der weiße Fleck, der
„Stern“, im Takt der Strophe vergrößert und verkleinert. Die Schilfbestände am Südende des Ammersees sind sehr weitläufig, und so sind mir die besseren Beobachtungen und Tonaufnahmen im Grabenstätter Moos am Chiemsee gelungen.
Typisch für den Gesang der „nordischen Nachtigall“ ist der schleppende Anfang der Strophen, die dann allmählich beschleunigt werden.
Vom Grabenstätter Moos sind in ornitho auch interessante Fotos vom 3. April eingestellt. Zum Teil im Schnee!
Als Letzte sind nun die Braunkehlchen erschienen. Sie überwintern in Afrika und müssen Jahr für Jahr wie der Kuckuck die Sahara überqueren. Um in ein Brutgebiet zurück zu kommen, das ihnen mehr und mehr die Lebensgrundlage entzieht – nämlich extensiv genutztes, mäßig feuchtes Grünland. Wo findet sich das noch? Dementsprechend
stehen sie bei uns auf der Roten Liste und sind, die ehemals so weit verbreiteten, vom Aussterben bedroht.
Sie singen sehr abwechslungsreich. Hier die Tonaufnahme eines ganz besonderen Könners, der zwei Wochen lang am Egelsee bei Hofstetten
intensiv sang, mit vielen Imitationen, und dennoch kein Weibchen finden konnte.
Jetzt sitzen die Hübschen mit dem Überaugenstreif wieder an dünnen Halmen in den Raistinger Wiesen, singen und singen, während im Hintergrund der Kuckuck ruft. Was ihm auch im Duett gelingt!
Die Brutsaison der Weißstörche hat begonnen. Um den 19. Februar herum hatten sich in Raisting innerhalb von etwa drei Tagen auf mindestens 16 Horsten die ersten einzelnen Störche eingefunden. Zum
Teil waren auch schon beide Partner da. Jetzt, Anfang März, sind fast alle Störche zurückgekommen. 22 besetzte Horste gab es im letzten Jahr, und auch dieses Jahr hält die Schutzgemeinschaft Ammersee ein wachsames Auge auf das Storchengeschehen.
Wir schauen uns an diesem sonnigen Tag in der Raistinger Dorfmitte um. Schon von Weitem ist ein Storch auf dem Dachfirst der Kirche zu sehen. Ein Rotmilan kreist darüber, ein Turmfalke fliegt
eilig vorbei.
Ganz oben um den Kirchturm hocken Dohlenpaare – vor den Brutkästen, die in die Schallfenster eingebaut sind, in Nischen, auf Simsen. Ein zweiter Storch steht auf der Alarmglocke nebenan. Auf
Dächern um die Kirche herum stehen drei weitere Langbeine auf ihren Horsten, einzeln, einbeinig, von Blau umflossen. Es wird sehr gelassen gestanden, in Nest und Gefieder gestochert, geruht. Und
geklappert. (Diese Tonaufnahme habe ich 2016 beim legendären Storchenkran von Kirchheim im Unterallgäu gemacht). Auch wenn es
gelegentlich unter den Männchen heftige Kämpfe um einzelne Horste gibt – was die Störche vor allem verbreiten, ist Frieden. Eine Atmosphäre, die in diesen Kriegszeiten mehr als willkommen ist.
Wir schauen, fotografieren, freuen uns. Als wir später aus dem Dorf hinaus fahren, finden wir einen Horst, der auf ein Bäumchen am Rand eines kleinen Gartens gebaut ist, ein Storchenpaar steht darin. Störche waren ursprünglich Baumbrüter, bevor sie Kulturfolger wurden.
In den 1970er Jahren drohten sie mangels feuchtem Grünland langsam auszusterben. 2017, nach 30jährigen Schutzbemühungen, konnte das Artenhilfsprogramm aus Erfolgsgründen (!) eingestellt
werden. Derzeit ist mit rund 500 Brutpaaren in Bayern der Bestand der schönen Schreitvögel gesichert.
Auf dem Lech bei Apfeldorf haben sie sich pünktlich wieder eingefunden: Singschwäne aus dem hohen Norden. Und am Sonntag, dem 12. Dezember, ist Schwanenwetter!
Schon oben auf der Straße sind ihre Posaunenklänge zu hören, und als wir durch den Schnee nach unten gestapft sind, können wir sie endlich ins Auge fassen: 16 der eleganten Schönen, einige im Wasser, die meisten auf dem Rande des Eises stehend oder ruhevoll hockend. Schneeweiß leuchten sie in der Sonne. Dieser winterliche Stausee am Lech ist für sie das Gleiche wie für unsere Kraniche und Störche Afrika: ihr weit im Süden gelegenes Winterquartier, das sie Jahr für Jahr wieder aufsuchen.
Während Höckerschwäne im Flug mit den Flügeln „singen“, duettieren Singschwäne mit ihren Stimmen und lassen die Duette, wenn sie zu Vielen sind, zusammenfließen – Neujahr 2017 ist mir die spannendste Aufnahme gelungen, ein regelrechter Posaunenchor!
Eine Sichtung ist bei uns selten. Dennoch: Wenn man sehr großes Gück hat, lässt er sich auch bei uns während des Durchzugs sehen, manchmal sogar in einem Garten.
Die Thaininger Lydia Geisenberger konnte ebendort einen Wiedehopf während seines siebentägigen (!) Gartenbesuchs fotografieren.
Der Wiedehopf ist trotz seiner exotischen Erscheinung alles andere als fremdländisch, gehört seit alters her in unsere Kulturlandschaft und war auch in Bayern bis Mitte des letzten Jahrhunderts weit verbreitet. Das letzte bayrische Brutvorkommen erlosch 1997. Die wenigen Brutvorkommen, die es inzwischen wieder in Mittel- und Unterfranken gibt, kann man an zehn Fingern abzählen.
Jetzt ist er Vogel des Jahres 2022 geworden. Warum?
Er ist Höhlenbrüter, braucht alten Baumbestand in halboffenem Gelände mit nur kurzer Vegetation und als Nahrung insbesondere Großinsekten und ihre Larven - all das, was es aufgrund von Überdüngung, Pestizideinsatz und Flächenfraß bei uns nicht mehr gibt.
Gift ist keine Lösung heißt folgerichtig der Slogan, mit der der Wiedehopf zur Wahl antrat.
Ich bin ihm letztes Frühjahr in den Kaiserstuhl nachgereist – es war nicht schwer, ihn an Hand seines unverkennbaren „Gesanges“ aufzuspüren – und sogar sein ärgerliches Fauchen mit aufzunehmen (hier bei 00:36 )!
Wer ihn im Frühjahr sieht - bitte melden!
Still und heimlich, von nur wenigen wahrgenommen, geht der Durchzug vieler Kleinvögel weiter. Die meisten ziehen nachts und rasten am Tage.
An der Kiesgrube Thaining (Foto siehe unten) gibt es die seltene Gelegenheit, Schwarzkehlchen zu beobachten: zwei Männchen und zwei Weibchen, eines davon diesjährig.
Als Ersatz für natürliche Warten dient an solchen Orten der Zaun. Hier sitzen sie immer wieder, fliegen auf, huschen nach unten, verschwinden in den Ruderalpflanzen oder zeigen sich kurz auf dem Weg. Gestern ließen sie sich, bei respektvoller Einhaltung einer recht großen Fluchtdistanz von ca. 30 m, von meiner Power Shot fotografieren (siehe Foto 2 + 3).
Im Gegensatz zu den Braunkehlchen sind Schwarzkehlchen Kurzstreckenzieher und können deshalb auch hier und da bis in den November hinein beobachtet werden. Wenn man Glück hat!
Oder sie an ihrem markanten Ruf erkennt, der bei Erregung aus harten Schnalzern und kurzen hohen Pfeiftönen besteht (Hörprobe).
Längst jagen die Mauersegler unter afrikanischem Himmel. Viele unserer Schwarzmilane haben schon die Sahara überquert. Die Mehlschwalben sind verschwunden. Hier und da flitzt eine letzte Rauchschwalbe über die Viehweiden. Auf den Dachfirsten singen wieder die Hausrotschwänze
Stare sind überall präsent, streunen in Trupps in der Feldmark herum oder schwatzen an ihren Sommerplätzen (siehe Foto 2 + 3).
In der Feldmark sind jetzt die Rotmilane besonders augen- und ohrenfällig. Sammeln sich, wenn die Felder gepflügt werden (siehe Foto 1), hocken auf Bäumen und Leitungsmasten (siehe Foto 4 + 5) und rufen einander (Hörprobe).
Auch die Raben- und Saatkrähen sammeln sich. In der Hofstettener Feldmark sind wieder „gefleckte Krähen“ aufgetaucht: Rabenkrähen mit unregelmäßig verteilten weiße Gefiederpartien (siehe Foto 6). Es könnte Leuzismus sein, genauer gesagt: Teilleuzismus, eine genetisch bedingte Abweichung, Zur Zeit wird jedoch auch diskutiert, inwieweit solche Fehlfarben durch Umweltgifte entstehen.Ich halte das für wahrscheinlich.
Text: Beatrix Saadi-Varchmin
Fotos: Beatrix Saadi-Varchmin und Jochim Varchmin